Vincent
Der zweite Weg war ein Anderer...
Die Geburt meines ersten Sohnes war im Krankenhaus und ich bekam jeden medizinischen Cocktail, der verabreicht werden konnte.
Einzig an den Wunsch nach einer PDA kann ich mich erinnern. Ich war definitiv nicht mehr Frau der Lage und hatte meine gesamte Verantwortung abgegeben. So kam es, dass sich die Herztöne meines Sohnes am CTG nicht mehr erholten und im Endspurt der Geburt ein Notkaiserschnitt mit Vollnarkose durchgeführt wurde. In den darauf folgenden Monaten stellte sich mir die Frage, ob es notwendig ist, sich in so einen natürlichen Prozess – der nun mal in der Natur der Frau liegt – mit künstlich geschaffenen Werkzeugen einzumischen. Diese Frage darf sich selbstverständlich jede Frau selbst beantworten. Ich für mich weiß heute, dass es nicht notwendig ist. Als Arthur ein Jahr alt war wurde ich erneut schwanger. Gleichzeitig machten sich spannende Gedanken in meinen Kopf breit. „Noch eine Geburt im Krankenhaus will ich nicht. Nur wie überzeuge ich meinen Mann?“
Ich durfte in meiner Ausbildung zur Bi.G Familienbegleiterin eine tolle Hausgeburtshebamme kennenlernen, die mich zu meiner Hebamme – Patricia - führte. So wechselte ich nicht nur meine Hebamme, sondern später auch noch meinen Frauenarzt.
Alles Neu – Alles Anders – Alles selbstbestimmt. Das war mein großer Wunsch.
Trotzdem habe ich nicht darauf vergessen mich in einem Krankenhaus meiner Wahl anzumelden – es wurde das St. Josef Krankenhaus. In weiser Voraussicht, sollten medizinische Indikationen gegen eine Hausgeburt sprechen.
Jetzt galt es nur noch meinen Mann zu überzeugen. Der Notkaiserschnitt hatte ihn stark geprägt und ich müsste lügen, wenn meinen Mann meine Gedanken und Ideen nicht vor den Kopf gestoßen hätten. Aber ohne meinen Mann an meiner Seite wollte ich keine Hausgeburt. Er war zum Glück begeistert von Patricia und stärkte mir schließlich den Rücken in meiner Entscheidung. Ich war erleichtert und positiv aufgeregt.
„Alles auf Schiene“ habe ich noch das große Glück eine fantastischen Freundin zu haben, die selbst zwei Hausgeburten hatte. Sie stärkte mich immer wieder in meinen „Nachdenkphasen“. Das Buch „Alleingeburt“ von Sarah Schmid war zusätzlich Inspirationen und Motivationen für die Entscheidung einer Hausgeburt trotz post sectio.
Keiner in unserem näheren Umfeld oder der Familie wusste von unserer Entscheidung – lediglich unsere Geburtsjoker (Babysitter) für Arthur. So kam es, dass sich zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin etwas mit meinem Körper tat. Ich merkte, dass unser zweiter Sohn nicht länger warten wollte. Meine Mutter war zufällig in Wien und ich ersuchte sie, doch noch ein zwei Tage länger zu bleiben, was sie liebend gern tat.
Wir Frauen wissen wann es losgeht – so machten sich in der folgenden Nacht die Wehen bemerkbar. Trotzdem schickte ich meinen Mann am nächsten Morgen in die Arbeit und
ersuchte ihn jederzeit erreichbar zu sein. Meine Mutter ging auf den Spielplatz mit Arthur und ich blieb zuhause und räumte in der Wohnung herum. Gegen 8 Uhr machten sich regelmäßige Wehen bemerkbar aber ich dachte mir nichts dabei, informierte lediglich meinen Mann der darauf bestand meine Patricia zu kontaktieren. Was ich nach einigem zögern auch tat. Die Wehen kamen recht schnell in kürzeren Abständen und ich bat nun alle drei, meine Mutter, meinen Mann und Patricia, zu mir zu kommen. Fast gleichzeitig trafen sie eine halbe Stunde später ein.
Gut vorbereitet für die Hausgeburt – begannen wir Kaffee und Tee aufzusetzen. Die Handtücher wurden im Ofen vorgewärmt und ich konnte mich völlig frei bewegen und meine Wehen veratmen. Ich war zu diesem Zeitpunkt so froh meine Yogaausbildung gemacht zu haben, da ich so die Wehen mit Atemtechniken und Tonungsübungen gut im Griff hatte. Ich wechselte die Positionen und merkte, dass sich der Vierfüßerstand für mich am Besten anfühlte. Die Wehen wurden stärker und begannen mich zu überrollen – mein Mantra, das ich mir zugelegt hatte war – „Öffne deinen Mund, dann öffnet sich dein Muttermund“ – und so war es.
Patricia gab mir jeglichen Freiraum den ich wollte und brauchte und achtete regelmäßig auf das Wohl meines Babys und mir. In der letzten Phase dachte ich mir nur: „Um Himmels Willen – halte ich diese Schmerzen aus?“ Und da wusste ich: es ist bald vorbei! Genau so war es – nach ca. vier Presswehen war der Kopf da, nach einer Weiteren war unser Sohn geboren – Vincent war da – bei uns zuhause – ich war überwältigt.
Ich hatte es geschafft – alleine! Mir fehlen nicht die ersten Stunden mit meinem Sohn – ich muss nicht ewig warten bis ich ihn in den Armen halten darf – er darf gleich zu mir und er suchte sofort meine Brust – das Wunder der Natur! Es war für mich neben meinem Erstgeborenen das schönste und Stärkste was ich vollbringen durfte – meinen Sohn mit eigener Kraft auf die Welt bringen, trotz meines Kaiserschnittes.
Mein Mann war ebenfalls überwältigt, unglaublich stolz auf mich und konnte die Situation kaum begreifen. Vincent lag in unseren Armen – zuhause –in entspannter Atmosphäre. Ich hatte auf mein Bauchgefühl gehört und wusste nun, dass es die richtige Entscheidung war.
Ich liebe meinen Mann, meine beiden Söhne und ich bin unendlich dankbar, dass wir gesund sein dürfen!