Raphael

Mein Geburtserlebnis

Hausgeburt? Was das ist, war mir bekannt, aber dass ich mein erstes Kind selbst zu Hause bekommen würde, wäre mir noch vor einem Jahr nicht in den Sinn gekommen. Nicht, dass ich eine Hausgeburt je abgelehnt hätte oder ihr kritisch gegenüber stand. Meine Oma, beispielsweise, war eine leidenschaftliche Hebamme auf dem Land, die vielen Frauen half, ihre Babies auf die Welt zu bringen. Die Option, das Kind zu Hause zu bekommen, war schlicht und einfach nicht in meinem Kopf vorhanden.Und so meldete ich mich im dritten Schwangerschaftsmonat im Krankenhaus zur Geburt an. Ich begutachtete die Räumlichkeiten dort und machte mir ein Bild vom Personal. Dieses Spital der Vinzenz-Gruppe machte, im Vergleich zu anderen, einen guten Eindruck. Trotzdem war die Geburt eines Kindes für mich noch sehr abstrakt und ich konnte sie mir noch nicht vorstellen. Der Not-Kaiserschnitt, den ich am Gang wartend mitbekam, machte mich nachdenklich.Später hatte ich Zeit, die Eindrücke zu verarbeiten. Für meine Entscheidung gegen eine ambulante Geburt im Spital und für eine Hausgeburt, waren zwei Faktoren ausschlaggebend: erstens meine Ablehnung der Schulmedizin und zweitens Informationen darüber, dass die Atmosphäre und Umgebung für den Geburtsverlauf wichtig seien.Einerseits hatte ich Angst, ich könne im Spital Ärzten oder Schwestern vor den Kopf stoßen und mich gezwungen fühlen, mich zu rechtfertigen, wenn ich sämtliche mir angebotenen medizinischen Vorsorgemaßnahmen und Eingriffe ablehnte.Andererseits wurde ich durch Literatur des Institutes Nanaya darauf aufmerksam, dass die Atmosphäre und Umgebung für den Ablauf der Geburt von großer Bedeutung wären. Ich erfuhr, dass Geburtsschmerzen mit Angst und Anspannung des Körpers zu tun haben und Wehen aufhören können, wenn eine Frau unter Stress steht. Ich lernte des Weiteren, dass viele medizinische Eingriffe erst notwendig werden, weil der natürliche Geburtsverlauf gestört wird.In meinem Herzen wollte ich die Hausgeburt und so fühlte in mich hinein, wie es sein würde. Ich hatte zwar keine genaue Vorstellung von dem Ereignis, aber ein gutes Gefühl bei der Sache. Angst vor Komplikationen war nie da. Doch dann ist da noch das Umfeld, das auf die
Ankündigung einer Hausgeburt erstaunt und besorgt reagiert. Man braucht Vertrauen in die Situation und zu sich selbst, viel Kraft und einen Dickkopf, um seinen Plan beharrlich zu verfolgen. Was wirklich zählt, ist das eigene Gefühl.
Zu meiner Hebamme, Patricia Schmidmeier, kam ich über einen Telefonanruf. Sie sprach einfühlsam und lieb mit mir, weshalb ich mich bei ihr sofort wohlfühlte. Sie sagte mir bei unserem Treffen, dass sie bei meinem Geburtstermin auf Urlaub wäre, aber eine Vertretung organisieren könne, die eine ähnliche Vorgehensweise pflege wie sie. Gesagt – getan. Patricia kam während der Schwangerschaft zu mir und ich lernte auch die Vertretung, Katharina Bösch, kennen.
Ich besuchte einen „Hypnobirthing“ Kurs, in dem man lernt, wie man durch Hypnose eine sanfte Geburt erleben kann. Die Kursleiterin riet mir, genauso wie die Hebammen, zur Wassergeburt. Das Baby im Wasser zu bekommen, konnte ich mir anfangs nicht vorstellen, aber ich ließ mich überzeugen und hatte bereits drei Wochen vor dem Geburtstermin den Pool aufgeblasen in meinem Wohnzimmer stehen.
Der Geburtstermin, 15. August, nahte und Patricia war bereits im Urlaub. Die Tage vergingen, schließlich überschritten wir das errechnete Datum und Patricia kam aus ihrem Urlaub zurück. Ich war körperlich in Form, nur ging mir langsam die Geduld aus. Ich wollte nicht mehr auf mein Baby warten. Also sprach ich mit meinem Kind, dass es sich bitte auf den Weg machen solle. Der Papa tat das ebenso.
Am Morgen danach wachte ich mit leichtem Ziehen im Rücken auf. Um sicher zu gehen, dass es Wehen waren, beschloss ich, abzuwarten. Um neun Uhr kam der Installateur, um die Therme zu reparieren. Er hatte das falsche Ersatzteil mit und versicherte mir, er würde in ein paar Stunden wiederkommen.
Ich ging einkaufen und spazieren. Danach wollte ich Wäsche bügeln, aber das fiel mir schon schwer. Gegen Mittag entdeckte ich einen Handwerker auf meinem Balkon. Er sagte, er würde noch eine Arbeit fertigstellen. Nun gut. Ich sendete eine SMS an den Installateur, er solle sich beeilen, denn die Wehen wären nun heftiger. Schließlich kam er gegen 15 Uhr und ging ans Werk. Wieder hatte er das falsche Ersatzteil dabei. Er improvisierte aber, sodass endlich Heißwasser aus dem Hahn kam, das wir für die Wassergeburt brauchten.
Ich nahm sofort ein Bad und rief meine Freundin Tina an. Diese kam gegen 17 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht mehr nach spaßen zu Mute. Patricia verständigte ich ebenfalls spät wegen der Handwerker und letztendlich traf sie ein, als die Wehen bereits im 2- Minuten-Abstand kamen.
Den Blasensprung hatte ich gegen 19 Uhr in der Badewanne. Von da an wurden die Wehen heftiger. Tina versuchte, den Geburtspool zu füllen, aber das vermeintliche Heißwasser war nur lauwarm. Zu kühl für eine Geburt darin. Ich durfte nicht in den Pool, nachdem ich mich so sehr sehnte. Patricia und Tina trösteten mich und schlugen mir Alternativen vor.
Letztendlich kam Raphael im Badezimmer zur Welt. Er schrie sofort und hatte eine gute Hautfarbe. Patricia legte ihn mir gleich auf die Brust. Was für ein unbeschreiblicher Moment. Ein Bub! Es war geschafft!
Ich habe die Geburt gut und ohne Verletzungen überstanden. Ebenso mein Söhnchen Raphael. Übrigens hatte ich immer das Gefühl, Raphael würde „an Land“ geboren werden und so war es auch. Interessanterweise konnte ich die im Kurs erlernten Entspannungsübungen und Atemtechniken während der Geburt nicht anwenden. Nichtsdestotrotz finde ich den Ansatz des Hypnobirthing gut, denn er ließ mich der Geburt mit Freude entgegensehen.
Die Mithilfe und liebevolle Umsorgung meiner Freundin Tina hat meine Schmerzen gelindert und mir Kraft gegeben. Patricia stand mir einfühlsam, geduldig und mit guten Ratschlägen bei, wodurch sie meine Motivation und mein Vertrauen in mich selbst stärkte.
Die Nachbetreuung durch meine Hebamme war sehr angenehm, denn man hat bei der ersten Geburt viele Fragen. Ich bin sehr froh über die Hausgeburt und würde alles wieder so machen.