Marlin

Marlin ́s Geburtsreise

Schon Tage vor der Geburt hatte ich immer wieder das Gefühl, dass es eventuell bald los gehen könnte. Diverse Symptome wie Durchfall oder sehr starke Senkwehen deuteten zumindest darauf hin. Auf jeden Fall war ich mir aber sicher, dass du früher kommen wirst. In der Nacht zum Pfingstsonntag sollte es dann auch tatsächlich so weit sein......Papa und ich haben uns noch einen Film angesehen und sind dann gegen 1h früh ins Bett gegangen. Ca 15 min später hatte ich das Gefühl, als würde irgendetwas „auslaufen“. Meinen ersten Gedanken „die Fruchtblase ist geplatzt“ verwarf ich gleich wieder, da ich mich nicht verrückt machen wollte. Ich ging aufs Klo und war mir sicher, dass du einfach auf meine Blase gedrückt hast und ich deshalb etwas Urin verloren habe. Tja, Fehlanzeige.... ich stellte fest, dass meine Unterhose komplett nass war. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass es jetzt wirklich so weit war. Du machst dich nun endlich auf den Weg zu uns. Ich spürte wie die Aufregung und die Vorfreude in mir aufstiegen, ich begann am ganzen Körper zu zittern. Ich weckte deinen Papa, der wie immer ganz schnell eingeschlafen war und sagte ihm, dass meine Fruchtblase geplatzt ist, dann musste ich auch schon wieder aufs Klo laufen, da ich unaufhörlich Fruchtwasser verlor. Papa kam dann etwas verdutzt nach und sah mich ungläubig an. Was war jetzt zu tun? Wir beschlossen unsere Hebamme
Patricia anzurufen und sie zu informieren, dass die Geburt nun begonnen hat. Sie sagte solange ich keine Wehen habe, sollten wir versuchen noch etwas zu schlafen um Kraft zu tanken und wenn die Wehen dann regelmäßig kommen, solle ich sie noch mal anrufen. Wir legten uns wieder ins Bett, aber ich war einfach viel zu aufgeregt. Ich sagte Papa, dass ich es mir im Wohnzimmer gemütlich mache und er ruhig noch etwas schlafen kann. Dort zündete ich ganz viele Kerzen an und schaltete meine Geburts- Playlist ein, die ich im Vorhinein vorbereitet hatte. Nach nur wenigen Minuten kam auch dein Papa dazu und meinte, dass er lieber bei mir wäre. Er kochte uns
Tee und wir machten es uns auf der Couch gemütlich, ehe er dann doch noch ein bisschen eingedöst war.
Ich zog mich innerlich in mich zurück um mit dir in Kontakt zu treten. Ich freute mich so unheimlich, dass du bald bei uns bist und ich dich endlich im Arm halten konnte.
Es dauerte nicht mehr lange und ich spürte wie nun die ersten Wehen einsetzten. Sie waren super sanft und ich hatte keine Mühen sie zu veratmen. Etwa um 4h wurde sie immer stärker und auch die Abstände verkürzten sich. Ich weckte Papa und wir beschlossen Patricia wieder anzurufen. Ich erzählte ihr, dass die Wehen nun in etwa alle 7 min kommen. Sie meinte, dass sie sich nun auf den Weg zu uns machen wird um nach uns zu sehen. Nach ca einer halben Stunde läutete es an der Türe und noch bevor ich Patricia richtig begrüßen konnte, musste ich die nächste Wehe über den Vorzimmerschrank gelehnt, veratmen. Wir mussten beide lachen. Wir machten es uns dann alle auf der Couch gemütlich, Papa kochte uns Kaffee und wir plauderten über dies und das, während ich dazwischen immer wieder für eine Schweigeminute sorgte, wenn die nächste Wehe veratmet werden wollte, die dich ein Stück näher zu mir brachte. So vergingen die nächsten drei Stunden... Wir beschlossen dann, dass
Patricia inzwischen wieder nach Hause fährt, damit wir uns alle noch etwas Ruhe gönnen konnten und wir uns wieder melden, sobald sich die Abstände der Wehen auf 3-5 min verkürzen. Nach dem wir wieder allein waren dauerte es nicht all zu lange bis die Wehen stärker wurden. Papa begann lautstark damit meine Wehen zu vertönen, während ich sie veratmete, um mir die Hemmungen zu nehmen. Das war echt süss.. :-) Von jetzt an wurde eine Wehe nach der Anderen immer intensiver. Und auch mein Bedürfnis zu tönen, den mit atmen alleine war die Sache nun nicht mehr getan. Zwei Stunden nach dem Patricia gegangen war, bat ich Papa sie wieder anzurufen. Es war nun etwa halb 10h vormittags, als Patricia wieder bei uns ankam. Ich saß am Wohnzimmerboden und stützte mich auf unseren großen Korbsessel um die nächste Welle, die anrollte raus zu tönen. Patricia meinte, dass ich jetzt ganz anders aussah als zuvor und die Geburt nun richtig im Gang ist. Inzwischen musste ich auch immer wieder weinen, da mich die Emotionen sowie die Schmerzen einfach überrollten.
Von da an ist alles etwas verschwommen in meiner Erinnerung. Papa begann für mich den Pool mit Wasser zu füllen, während Patricia bei mir blieb und mir gut zu sprach und mich unterstützte. Bevor ich in den Pool stieg, untersuchte Patricia mich und sagte uns, dass der Muttermund in etwa 5 cm geöffnet ist. Ich war etwas enttäuscht, da ich glaubte schon weiter zu sein, bei der Intensität der Wehen. Im Pool stellte ich fest dass die Wärme etwas Erleichterung schaffte. Dein Papa wich keinen Zentimeter mehr von meiner Seite, umarmte, tröstete, massierte mich oder weinte und tönte mit mir. Patricia war die ganze Zeit sehr ruhig, hat regelmäßig deine Herztöne beobachtet, uns sonst aber einfach machen lassen. Es folgten Momente der puren Verzweiflung in Abwechslung mit Motivation und Zuversicht. Wir wanderten immer wieder mal zwischen Pool und Wohnzimmer hin und her, ich wechselte in verschiedene Positionen, aber irgendwann hatte ich das Gefühl, dass einfach nichts mehr weiter geht. Patricia teilte uns dann mit, dass sich der Muttermund auf einer Seite nicht vollständig öffnen will und sich auch dein Köpfchen nicht richtig einstellt. Inzwischen kam in mir das erste Mal der Gedanke auf „das wird eh nix mehr, das wird wahrscheinlich mit einem Kaiserschnitt enden“ , versuchte aber weiterhin in verschiedensten Positionen dir den Weg etwas zu erleichtern und mich für dich weich und weit zu machen. Patricia fragte mich dann irgendwann ob es ok ist wenn ich mich auf der Couch in Rückenlage bringe, damit sie während der nächsten Wehe den Muttermund aufdehnen kann. Ich willigte ein. Nichts ahnend, dass dies alle bisherigen Schmerzen übertreffen sollte. Ich weinte, schrie, tönte, alles in einem. Und es
kam mir wie eine Ewigkeit vor.... Aber es hat sich ausgezahlt, mein Muttermund war offen. Jetzt musste sich nur noch dein Köpfchen richtig einstellen. Es verging wieder einige Zeit in der sich nichts tat. Mittlerweile war ich körperlich schon so geschwächt, dass ich nicht wusste wie lange ich noch durchhalte. Irgendwann kamen wir an dem Punkt, an dem wir besprechen mussten wie es weiter geht. Und für mich war klar: Ich will ins Krankenhaus, ich kann nicht mehr. Auch Patricia meinte
dann, dass es vielleicht das Beste ist wenn wir abbrechen. Vielleicht auch weil ich einfach keinen Sinn mehr darin sah weiter zu machen. Dein Papa ist also noch mit Niko eine Runde Gassi gegangen, da wir ja nicht wussten wann wir wieder nach Hause
kommen. Und Patricia fing an ihre Sachen zu packen. Und dann überrollten mich die Verzweiflung und das Gefühl des absoluten Versagens. Ich wollte dir doch so gerne einen schönen, sanften Start ins Leben ermöglichen. Und weiter.... wie sollte ich mit diesen Wehen den Weg ins Krankenhaus schaffen? Die Vorstellung in diesem Zustand vor die Haustüre zu müssen, nahm mir fast die Luft zu atmen. Aber plötzlich passierte etwas, womit wir alle wohl nicht mehr gerechnet hatten. Ich hatte einen starken Drang zu pressen. Ich brachte mich in den Vierfüßler und presste dich mit jeder Wehe ein Stück weiter. Patricia feuerte mich an weiter zu pressen, dich aus mir raus zu schieben. Dann war dein Papa auch wieder zurück und als er merkte
was nun vor sich ging, feuerte aucher mich an was das Zeug hält. „Wir bleiben zu Hause! Diese Geburt wird nicht im Krankenhaus enden, nicht Deine!“ Diese Worte sagte ich mir innerlich immer wieder, während ich dich immer weiter aus meinem Körper schob. Und dann kam die Erlösung: Dein Köpfchen war zu sehen, besser noch, es wurde langsam geboren. Von da an hab ich mich ein bisschen wie in Trance gefühlt. Es folgte noch ein paar letzte Wellen und dann war es geschafft. Wir haben es geschafft! Patricia hat dich entgegen genommen, da dein Papa mir vorne gut zusprach. Sie legte dich auf die Unterlage und meinte, dass ich dich nun hoch nehmen kann. Rückblickend hab ich das Gefühl, als hätte es einen Moment gedauert bis ich das realisiert habe und dich ganz fest zu mir drückte. Patricia brachte uns dann rote, vorgewärmte Handtücher in die wir dich einwickelten. Und dann hieß es durchatmen. Ich hielt dich tatsächlich in meinen Armen während dein Papa ganz eng neben uns saß. Das ist er also: der wundervollste Moment im Leben. Wir konnten es nicht fassen. Patricia richtete für uns die Couch damit wir uns dort gemütlich kennen lernen konnten. Wir
kuschelten zu dritt ganz eng, während wir immer wieder in Tränen ausbrachen. Du warst so wunderschön und mein Gott hast du gut gerochen! Am liebsten hätte ich diesen Moment für immer festgehalten.
Als deine Nabelschnur auspulsiert war, hat dein Papa dann unsere letzte Verbindung gekappt und damit ein neues Kapitel in unserem Leben aufgeschlagen. Danach war noch eine kleine Hürde zu schaffen. Die Plazenta musste geboren werden. Ich übergab dich deinem Papa, damit auch ihr euch in Ruhe bestaunen und ich meine letzte Aufgabe erfüllen konnte. Patricia half mir ins Badezimmer, unter die Dusche wo ich also die Plazenta gebar. Danach begleitete sie mich ins Bett, wo sie mich kurz untersuchte und fest stellte, dass ich bis auf einen kleinsten Riss keine Verletzungen hatte. Danach schickte sie Papa und dich zu mir ins Schlafzimmer und wir konnten uns nun endlich zu dritt in aller Ruhe kennen lernen. Kuscheln, küssen, riechen, bestaunen, lachen und weinen. Patricia hat in der Zwischenzeit sauber gemacht und kam irgendwann wieder zu uns. Sie hat uns fest umarmt und gratuliert und ich glaube auch sie war sichtlich gerührt über den Ausgang deiner Geburt :)
Marlin, mein Herz, ich freu mich so unendlich auf das was kommt. Dich kennen zu lernen und darauf dich zu begleiten. Von und mit dir lernen zu dürfen. Und dich bedingungslos zu lieben <3
Deine Mama
Liebe Patricia,
dir möchten wir von ganzem Herzen danken! Schon während der Schwangerschaft hast du uns so liebevoll betreut, ich hab mich auf jeden Besuch von dir so wahnsinnig gefreut. Du hast uns in der aufregensten Zeit unseres Lebens begleitet und ich hätte mir niemand anderes an unserer Seite gewünscht. Während der Geburt bist du uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden, hast mich motiviert und aus der Verzweiflung geholt, aber auch gespürt wann du uns lieber in Ruhe „machen lässt“. Und ebenso deine Besuche im Wochenbett waren so eine große Bereicherung und Unterstützung. Du konntest uns jedes mal die Unsicherheiten nehmen, die aufgetaucht waren.
Liebe Patricia, DANKE! Danke dass du dabei warst und deinen Teil beigetragen hast, dass diese Zeit so wunderschön geworden ist! Du hast geholfen unsere kleine Familie zusammen zu führen und wirst deshalb immer einen Platz in unseren Herzen haben!
Von Herzen alles Liebe wünschen dir Jenny, Marlin, Martin und Niko :-)